Juden in Petrosawodsk – Christen in Tübingen
Die Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in Tübingen unterhält einer Partnerschaft mit der Jüdischen Gemeinde in der Tübinger Partnerstadt Petrosawodsk. Am Beginn der Beziehungen stand das Geschenk einer Torarolle von Tübinger Christen für die Juden in Karelien und die Wiedergründung der in den späten 1920er Jahren abgebrannten Petrosawodsker Synagoge. 2020 konnte die Jüdische Gemeinde in Petrosawodsk wiederum mit Unterstützung aus Tübingen eigene Synagogenräume erwerben und beziehen.
Diese einzigartige christlich-jüdische Gemeindepartnerschaft ist in drei Büchern dokumentiert:
- Michael Volkmann (Hg.), Juden in Petrosawodsk - Christen in Tübingen: eine erstaunliche Liebesgeschichte, Tübingen (TVT Medienverlag) 2007, 123 S. (vergriffen).
- Dmitrij Tsvibel, Die Wiedergeburt der Jüdischen Gemeinde in Karelien, Tübingen (TVT) 2014, 192 S. (erhältlich im Pfarramt der Bonhoefferkirche).
- Dmitrij Tsvibel, Der bittere Rauch des Holocaust und die Partnerschaft Tübingen-Petrosawodsk, Tübingen (TVT) 2021.
Chronik unserer Beziehungen 1995 bis heute
Aktuell
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und dem Krieg, der bis heute andauert, sind die Kontakte nach Russland schwierig geworden. So wird derzeit die Partnerschaft mit Petrosawodsk seitens der Stadt Tübingen nicht aktiv betrieben. Dazu heißt es in einer offziellen Verlautbarung der Stadt:
"Die Universitätsstadt Tübingen wird also, solange der Krieg in der Ukraine andauert, die partnerschaftlichen Kontakte nach Petrosawodsk nicht aktiv betreiben. Sie ist aber überzeugt, dass auch in dieser Zeit Gesprächskanäle offengehalten werden müssen und dass ein vollständiger Abbruch von
städtepartnerschaftlichen Beziehungen ein falsches Signal insbesondere an jene Menschen in Verwaltungen und Zivilgesellschaft wäre, denen an Frieden und Verständigung gelegen ist, die den Krieg in der Ukraine und die Putin’sche Politik auch in Russland kritisieren. Städtepartnerschaften verbinden nicht nur Verwaltungen und offizielle Stellen, sondern vor allem Menschen."
Entsprechendes gilt für unsere Partnerschaft mit der dortigen jüdischen Gemeinde.
2020
Über den Herbst und Winter 2019-20 renovierte die jüdische Gemeinde in Petrosawodsk ihre neuen Räume. Im Februar wurden sie eingeweiht, zwei Sabbate und Purim konnten in ihnen gefeiert werden, dann kam der Corona-Lockdown.
Für Juni war unsere Reise zu sechst nach Petrosawodsk geplant: drei Mitglieder der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde und erstmals drei interessierte und engagierte Menschen aus Reutlingen. Da zwang uns Covid-19 zur Stornierung.
In der Zeit des Lockdowns in Petrosawodsk gab Dmitrij Tsvibel unter dem Titel „Gorkij Dym Cholokosta“ (Der bittere Rauch des Holocaust) drei Vorträge in der Reihe der Gemeindepublikationen der jüdischen Gemeinde heraus. Die Texte wurden von Julita Huf ins Deutsche übersetzt und von Michael Volkmann im Buch „Der bittere Rauch des Holocaust und die Partnerschaft Tübingen-Petrosawodsk“ herausgegeben. Bei Drucklegung des Buches war die zweite Welle der Pandemie auf ihrem Höhepunkt.
2019
Aus verschiedenen Gründen konnten unsere Freunde aus Petrosawodsk unsere Einladung nach Tübingen 2019 nicht wahrnehmen. Wir beschlossen, uns im folgenden Jahr in Petrosawodsk wiederzusehen.
Im Juni traf folgendes Schreiben von Dima Tsvibel ein: „Ich hoffe, dass wir Sie nächstes Jahr im neuen Gebäude der Gemeinde begrüßen können!!! Wir führen derzeit Vorbereitungsarbeiten für den Erwerb von Räumlichkeiten in der Innenstadt durch, die sehr nahe an der jetzigen liegen.“
Wir veranstalteten eine Sammlung in Tübingen, erhielten einen Zuschuss der Stiftung Stuttgarter Lehrhaus, und konnten 2019-20 über 22.000 Euro für den Synagogenkauf nach Petrosawodsk überweisen.
2018
Von 27.6. bis 3.7.2018 reisten Sylvia Takacs, Vorsitzende der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde, ihr Mann Zoltan Takacs, Renate Strecker und Michael Volkmann über St. Petersburg nach Petrosawodsk und wurden dort von unseren Gastgebern, den Familien Grinberg und Tsvibel, aufs Herzlichste empfangen.
Die Begegnung mit Alexandra Jerschowa vom Minsterium für nationale und regionale Politik der Republik Karelien zeigte die Wertschätzung für die aktive Rolle der jüdischen Gemeinde für interreligiöse Beziehungen und Toleranz. Das Gespräch mit Natalia Lavruschina im Rathaus war wie eine Begegnung zwischen alten Bekannten. Maria Nikischina führte uns durch die karelische Nationalbibliothek, wo auch die russischen und deutschen Versionen der Bücher aufbewahrt werden, die über unsere besonderen christlich-jüdischen Beziehungen erschienen sind. Direktor Dr. Michail Goldenberg zeigte uns das karelische Nationalmuseum, das bei jedem Besuch neue Attraktionen zu bieten hat. Unsere Besuche im Schoa-Museum „Jizchak“, auf dem Kriegsgefangenenfriedhof Pieski und auf der Insel Kischi sowie die Konzerte des Ensembles „Kantele“ und des Symphonieorchesters gehören zu festen Kanon unserer Programme. Ein Tagesausflug zur Holzkirche von Kondopoga und in den Kurort Marzyalnie Wodi brachte uns auch nach Girvas, wo wir in einem trockengelegten Wasserfall auf dem Lavagestein eines erloschenen Vulkans umhergehen konnten.
Zum Sabbatempfang am Freitagabend waren wir bei Familie Tsvibel eingeladen. Dima Tsvibel schrieb im Gemeindebrief Nr. 239: „Und doch war das wichtigste Ereignis der samstägliche Gottesdienst mit der Lesung der Tora, derselben Tora, mit der ein neues Kapitel im Leben der jüdischen Gemeinde von Petrosawodsk und der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde begonnen hatte, und auch für die vielen, vielen Menschen, die durch die Beziehungen zwischen unseren Gemeinden und Städten miteinander verbunden sind. … Danach Kiddusch, Unterhaltung am Tisch, sich Kennen lernen, Zukunftspläne.“
2017
Vom 6. bis 13. Juli waren Dmitrij Tsvibel, Ludmilla Grinberg, Natalia Laydinen und, als Übersetzer, Mark Kirsanov in Tübingen. Ludmilla Grinberg organisiert in der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Frauen. Natalia Laydinen ist Journalistin und Lyrikerin mit Wurzeln in Petrosawodsk, sie lebt in Moskau.
Zusammen mit der West-Ost-Gesellschaft und dem Verein Amici, die ebenfalls Gäste aus Petrosawodsk zu Besuch hatten, nahmen wir mit unseren Gästen am Empfang im Rathaus durch Bürgermeisterin Dr. Christine Arbogast teil.
Wir feierten gemeinsam Sabbat, veranstalteten ein öffentliches Tora-Lernen zum Wochenabschnitt „Balak“ (4. Mose 22,1 – 26,9) und gestalteten zusammen den Sonntagsgottesdienst mit dem Abschluss der Josefsgeschichte (1. Mose 50,15-21) als Predigttext.
Wir besichtigten ausführlich Tübingen, besonders auf jüdischen Spuren. Eine Führung durch die Ausstellung „‘Ertragen können wir sie nicht‘. Martin Luther und die Juden“ im Evang. Gemeindehaus Lamm konfrontierte uns mit dem Problem des christlichen Antijudaismus. Ausflüge führten uns nach Stuttgart zum Lehrhausfest, nach Esslingen zum Besuch der Synagoge und zum Gespräch mit Rabbiner Yehuda Pushkin, der aus Petrosawodsk stammt, sowie – mit der West-Ost-Gesellschaft – in den Schwarzwald zu den Triberger Wasserfällen und nach Freudenstadt. Zum Kulturprogramm gehörten ein Konzert des Tübinger Kammerorchesters im Kloster Bebenhausen und ein Besuch im Schiller Nationalmuseum sowie im Geburtshaus des Dichters in Marbach am Neckar. Im Marbacher Literaturmuseum der Moderne fand zu der Zeit eine Ausstellung über „Rilke und Russland“ statt. Ein Abstecher führte uns in die Bietigheimer Altstadt mit ihren renovierten Fachwerkhäusern und ihrer modernen Kunst im öffentlichen Raum.
Das Programm ließ uns viel Zeit für Gespräche und Erinnerungen an die Anfänge unserer Beziehungen und an prägende Menschen wie Dankwart-Paul Zeller, dessen Grab wir besuchten, und Efim Levin sel. A.
2016
Von 20. bis 26. Juni reisten Michael Volkmann, die Kirchengemeinderäte Lucia Lehr und Martin Haase sowie Renate Strecker nach Petroswodsk. Wir trafen alte und neue Freundinnen und Freunde, besonders Dima und Marta Tsvibel, Dima Gendelev, Igor und Ludmilla Grinberg, Valentina Dvinskaja, Irina Podgornaja und Michail Goldenberg.
Offizielle Kontakte pflegten wir mit dem ersten stellvertretenden Minister für Nationalitätenpolitik und religiöse Angelegenheiten, Viktor Krasnoshon, und der Abteilungsleiterin im Städtischen Amt für Internationale Beziehungen, Natalia Lawruschina. Im Nationalmuseum stellte uns Direktor Michail Goldenberg einen Museumsschatz vor, die 96 Zeichnungen Heinrich Vogelers, und berichtete uns von amerikanischen Finnen in Karelien. Mit der jüdischen Gemeinde feierten wir den Sabbat Beha’alotcha und machten einen Tagesausflug in die Umgebung von Petrosawodsk, zum Friedhof deutscher und ungarischer Kriegsgefangener in Pieski, zum Grab des Sprachforschers Philip Fedorovitsch Fortunatov in Kosalma, zum Felsen Sampo und in den ersten russischen Kurort Marzyalnie Wodi. Wir waren Gäste eines Kantele-Konzerts und einer Opernaufführung sowie mehrerer privater Einladungen. Das Stadtfest von Petrosawodsk am letzten Juni-Wochenende wurde 2016 wegen eines Bootsunglücks mit über zwanzig jugendlichen Todesopfern auf dem Onegasee kurzfristig abgesagt.
2015
Ende September verstarb ein bedeutender Unterstützer unserer Partnerschaft, der ehemalige Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg Meinhard Tenné, Mitbegründer des Stuttgarter Lehrhauses, Stiftung für interreligiösen Dialog, und des interreligiösen Vereins „Haus Abraham“.
2014
Die Städtepartnerschaft zwischen Tübingen und Petrosawodsk wird 25 Jahre alt. Die Stadt Tübingen feiert dies zusammen mit der West-Ost-Gesellschaft im November.
Juni: Michael Volkmann und Juliane Novak aus dem Arbeitskreis Petrosawodsk sowie Kirchengemeinderat Martin Haase besuchen Petrosawodsk und erleben dort den Sabbat Chukat und das Stadtfest. Sie werden im karelischen Ministerium für Nationalitäten-Politik und Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften, wo sie Dmitrij Tsvibels Buch „Die Wiedergeburt der Jüdischen Gemeinde in Karelien“ (russisch) erhalten, sowie von Oberbürgermeisterin Galina Schirschina empfangen. Sie feiern den Sabbat mit, machen Ausflüge in die Umgebung (Kondopoga, Kiwatsch, Marzialnje Wodi und Kischi) und treffen mit Freunden zusammen.
November: Erstmals nehmen Vertreter der Jüdischen Gemeinde Petrosawodsk – Dmitrij Tsvibel und Dmitrij Gendelev – in Tübingen an offiziellen Feierlichkeiten der Universitätsstadt zum Jubiläum der Städtepartnerschaft, an Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Novemberpogrome und zum Jahrestag der Öffnung der Berliner Mauer teil. Als Dolmetscher war der Leiter der Petrosawodsker Büros der West-Ost-Gesellschaft, Mark Kirsanov, beteiligt. Wir feierten zusammen den Sabbat Wajera, veranstalteten ein öffentliches Toralernen und erinnerten im Sonntagsgottesdienst am 9. November an den Fall des „Eisernen Vorhangs“ 25 Jahre zuvor. Am Abend sprach Dima Tsvibel bei den Gedenkfeiern zu den Novemberpogromen am Synagogenplatz und in der Stiftskirche. Tags darauf hielt er im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen im Stuttgarter Lehrhaus seinen Vortrag über Schoagedenken in der Sowjetunion und Russland. Sowohl in Tübingen als auch in Stuttgart wurde das auf Deutsch neu erschienene Buch von Dmitrij Tsvibel „Die Wiedergeburt der jüdischen Gemeinde in Karelien“ öffentlich vorgestellt. Ein besonderer Schwerpunkt war die Pflege unserer Beziehungen zur Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg (IRGW). In Stuttgart trafen wir bei einer Keren-Hayesod-Veranstaltung Landesrabbiner Netanel Wurmser und Martin Widerker. In Ulm besuchten wir Rabbiner Shneur Trebnik in der neuen Synagoge, in Esslingen in der alt-neuen Synagoge Rabbiner Yehuda Pushin. IRGW-Repräsentanzmitglied und Vertreter von „Bustan Shalom“ David Holinstat nahm an unserer Kabbalat-Schabbat-Feier teil.
In Ulm empfing uns die Stellvertreterin des Landesbischofs, Prälatin Gabriele Wulz, und führte uns mit besonderem Augenmerk auf jüdische Bezüge durch das Münster. In Stuttgart hielt der Referatsleiter für Kirchen und Religion, Integration und Werte im Staatsministerium, Dr. Michael Blume, einen Vortrag für uns über Religionen in Baden-Württemberg. Bei einem Besuch der Stiftung Weltethos kam es zu einer Begegnung unserer Gäste mit Professor Hans Küng. Zwei volle Tage waren dem offiziellen Jubiläum der Städtepartnerschaft gewidmet, organisiert von der West-Ost-Gesellschaft mit Unterstützung der Stadt und der Stadtwerke. Neben einem Festakt in der Alten Aula gab es eine Podiumsdiskussion, eine Kunstausstellung mit Gemälden von Marina Mikowa sowie die Eröffnung einer Ausstellung über die Murmanbahn und deutsche Kriegsgefangene des Ersten Weltkrieges in Karelien im Stadtmuseum mit einer Ansprache des Direktors des Karelischen Nationalmuseums, Dr. Michail Goldenberg. Kultureller Höhepunkt unseres Programms war ein Liederabend mit Kompositionen von Mieczislaw Weinberg mit der Sopranistin Dorothea Rieger und der Pianistin Claudie Schulz in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche. Bei einem Stadtrundgang auf jüdischen Spuren besichtigen wir in der Judengasse einen mittelalterlichen Keller mit einer Wassergrube, möglicherweise eine Mikwe. Und wir gedachten zweier verstorbener Pioniere unserer Städtepartnerschaft, des langjährigen Leiters der West-Ost-Gesellschaft Dr. Jörg Bohse und Dankwart-Paul Zellers.
2013
Am 9. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes in Europa, versammeln sich Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Petrosawodsk am Friedhof der deutschen Kriegsgefangenen in Pieski und entzünden eine Gedenkkerze.
2012
Juli: Aus Petrosawodsk kommen Dmitrij Tsvibel, Valentina Dwinskaja sowie Ludmilla und Igor Grinberg zu Besuch nach Tübingen. Sie bringen die russische Übersetzung von Dankwart-Paul Zellers theologischer Kriminalgeschichte „Das Geheimnis der Partisanen-Tora“ mit. Sie berichten über ihre Gemeinde bei öffentlichen Veranstaltungen in Tübingen, im Stuttgarter Lehrhaus und in der früheren Rexinger Synagoge, heute das evangelische Gemeindehaus des Ortes. Sie treffen mit dem Direktor des neu eröffneten ersten deutschen Zentrums für islamische Theologie, Prof. Dr. Omar Hamdan, zusammen. Bei einem Ausflug nach Schwäbisch Hall besuchen sie verschiedene Kunstausstellungen und die jüdische Abteilung des Hällisch-Fränkischen Museums.
2011
Mai: Zwei Ehepaare aus der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde reisen nach Petrosawodsk: Pfarrerin Angelika Volkmann, Pfarrer Michael Volkmann, Kirchengemeinderätin Barbara Sylla und ihr Mann, der Arzt Eckart Apfelstedt-Sylla. Sie nehmen teil an der Präsentation der russischen Ausgabe des Buches „Juden in Petrosawodsk, Christen in Tübingen: eine erstaunliche Liebesgeschichte“ im Saal der Adeligen Versammlung im Karelischen Heimatkundemuseum (Lenin-Platz 1), wo Gary Lak von seinem Briefwechsel mit Paul Zeller erzählt. Sie treffen mit Vertretern des Vereins minderjähriger KZ-Häftlinge im Maximilian Kolbe Museum und Zentrum „IZHAK“ zusammen, wo sie eine Spende der Familie Zeller übergeben. Sie werden von Oberbürgermeister Nikolaj Levin empfangen und erleben einen intensiven christlich-jüdischen Gesprächsabend bei Familie Grinberg.
2010
Am 9. Dezember stirbt Dankwart-Paul Zeller, Ehrenmitglied der Jüdischen Gemeinde Petrosawodsk, im Alter von 86 Jahren. Dmitrij Tsvibel schreibt in seinem Nachruf: „Ein Zusammentreffen mit Paul war für mich der Wendepunkt meines Lebens. Von da an habe ich das Leben neu verstanden. Als ich in der Synagoge von St. Petersburg die Torarolle, die uns unbekannte deutsche Freunde gebracht hatten, in den Armen hielt, spürte ich geradezu physisch die Verbindung zu meinem Volk und seiner Geschichte und uralten Traditionen, von denen ich fast vollkommen abgeschnitten war. Das verdanke ich meinem deutschen Freund Paul Zeller.“ Im Tübinger Tagblatt erscheint eine von Dmitrij Tsvibel und Michael Volkmann unterzeichnete gemeinsame Traueranzeige der Jüdischen Gemeinde Petrosawodsk und ihrer Tübinger Freunde.
2009
April: Am 30. April stirbt in Petrosawodsk mit 93 Jahren das älteste Mitglied der jüdischen Gemeinde, ihr Vorbeter und geistlicher Leiter Efim Levin.
Juli: Fünf junge Leute aus Petrosawodsk – Maria Gontscharuk (25), als frühere Leiterin des Jugendclubs bereits 2007 mit in Tübingen dabei; Valeria Nesteruk (21), Studentin der Sozialwissenschaften und derzeitige Leiterin des Jugendclubs; Semen Solomeschch (21), Absolvent eines Touristik-Studiums; Ksenia Titkova (23), die als Germanistin und Anglistin schon mehrmals in Deutschland war und Elizaveta Yablonskaya (28), Ökologin – besuchen Tübingen. Sie treffen die Jugendlichen, die im Jahr davor in Petrosawodsk waren, und jüdische Jugendliche des Tübinger jüdischen Vereins Bustan Shalom. Sie nehmen an einem Tagesausflug des Vereins Bustan Shalom nach Buttenhausen und ins Große Lautertal teil und werden vom Rektor der Universität Tübingen, Prof. Dr. Bernd Engler, im Saal des Kleinen Senats und von Oberbürgermeister Boris Palmer im Tübinger Rathaus empfangen. Sie besuchen den englischsprachigen Gottesdienst „Church at Six“ in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche und lernen zusammen mit dem Toralernkreis der Gemeinde die Parascha Mattot-Mass’ei. Sie können dank einer Spende vom „Round Table No. 182“ einen großen Geldbetrag für die Jüdische Gemeinde und den „Chesed Agamim“ mit nach Petrosawodsk nehmen.
2008
Juni: Zum Stadtfest reist eine offizielle Delegation der Universitätsstadt Tübingen, an der Spitze Oberbürgermeister Boris Palmer, nach Petrosawodsk. OB Palmer löst sein ein Jahr zuvor beim Besuch unserer jüdischen Freunde im Tübinger Rathaus gegebenes Versprechen ein und besucht mit seinen Begleiterinnen und Begleitern die Synagoge von Petrosawodsk
Juli: Die Jugendlichen Julia Damson (16), Carina Kammler (15), Matthias Lhotzky (18), Moritz Stage (15), Leo Volkmann (17) und Marie Volkmann (15) reisen mit Silke Takacs und Michael Volkmann für eine Woche nach Petrosawodsk. Dort besuchen sie das Maximilian-Kolbe-Museum, sprechen mit Alexandra Jerschowa im karelischen Ministerium für Jugend und Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften, können in einem Reitstall, einem Projekt des Behinderten-Hilfsvereins Wsaimodeistvie, selbst reiten und erleben die Präsentation des Buches „Juden in Petrosawodsk, Christen in Tübingen: eine erstaunliche Liebesgeschichte“ in der Karelischen Nationalbibliothek mit. Den Jugendlichen erschlossen sich mit dieser Reise neue Welten, die ihnen bis dahin eher fern lagen: der russische Nordwesten mit seinen Wäldern und Seen, die Weltstadt St. Petersburg, die russische Geschichte, Kultur, Lebensweise und Sprache sowie die jüdische Religion in ganz praktischer Begegnung.
November: Der 9. November wird in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg am 70. Jahrestag der Novemberpogrome zum ersten Mal als offizieller Gedenktag „Erinnerung und Umkehr“ begangen.
2007
März: Am 17.3.2007 bringen fünfzehn Synodale der drei großen Gesprächskreise den Antrag in die Evangelische Landessynode von Württemberg ein, die Landeskirche möge den 9. November zum Gedenktag „Erinnerung und Umkehr“ machen und seine Anerkennung auch in den anderen Kirchen anregen. Der Antrag wird an den Ausschuss für Mission und Ökumene verwiesen und soll in der Sommersynode erneut auf die Tagesordnung kommen.
Der Arbeitskreis bereitet den Besuch von Vertretern der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk im Juli in Tübingen vor (erwartet werden Prof. Dr. Valentina Dwinskaja, Dimitri Gendelev, Maria Goncharuk, Dimitri Tsvibel).
2006
Februar: Am 1. Februar stirbt Vadim Misko. Misko war als Minderjähriger in verschiedenen Konzentrationslagern. Er überlebte und stellte sein Leben in den Dienst von Erinnerung und Versöhnung. In Petrosawodsk setzte er sich für die würdige Gestaltung von Gräberfeldern aller durch Krieg und Gewaltherrschaft ums Leben Gekommener ein: für die Opfer der stalinistischen Verfolgung (in den Wäldern um Petrosawodsk), für die in finnischen Gefangenenlagern Verstorbenen (Gedenkstätte Pieski), für die 1.200 in Kriegsgefangenschaft gestorbenen deutschen Soldaten (Pieski) sowie für die nach dem Krieg zur Zwangsarbeit verschleppten und dabei verstorbenen jungen Frauen aus den deutschen Ostgebieten (Gedenkstätte Padosero). Misko war Sprecher der Vereinigung der minderjährigen KZ-Häftlinge. Er gründete in Petrosawodsk das erste Holocaust-Museum Russlands und gab ihm den Namen Maximilian Kolbes. Auf seine Vermittlung und in seiner Wohnung trafen Dankwart-Paul Zeller und Dimitri Tsvibel 1995 zum ersten Mal zusammen. Dies war der Impuls für das Geschenk einer Torarolle. Obwohl kein Mitglied der jüdischen Gemeinde, begleitete Vadim Misko unsere christlich-jüdischen Begegnungen in Petrosawodsk mit großem Engagement.
Antisemitische Angriffe in Russland sind der Auslöser für Gespräche zwischen Vertretern der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk und dem karelischen Innenministerium. Thema der Gespräche ist die Frage, durch welche konkreten Maßnahmen die Toleranz in der russischen Gesellschaft gefördert werden könne.
Juli: Acht Mitglieder des Arbeitskreises reisen zu den Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen der jüdischen Gemeinde nach Petrosawodsk (Lore Auer, Stephan Glaser, Ottmar und Rosie Maier, Dr. Kurt und Ulrike Elstner-Sütterlin, Michael Volkmann und Dankwart-Paul Zeller). Sie überbringen Grüße, unter anderem von Oberbürgermeisterin Russ-Scherer und von Prof. Dr. Hans Küng von der Stiftung Weltethos, und Spenden aus Tübingen, insbesondere für den geplanten Synagogen-Neubau. Am 24.7.2007 findet im Rathaus von Petrosawodsk die konstituierende Sitzung des „Interreligiösen Runden Tisches“ von Karelien statt, den die jüdische Gemeinde initiiert hat. Die jüdischen, christlichen und muslimischen Teilnehmer des Runden Tisches bekräftigen ihren Willen zu kontinuierlichem Austausch und zur Zusammenarbeit.
August: Die Gemeindezeitung Nr. 97 der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk erscheint als Sonderausgabe, die mit zahlreichen Fotos die ersten zehn Jahre der wieder gegründeten Gemeinde und der zahlreichen Begegnungen mit Tübinger Christen Revue passieren lässt.
Oktober: Am 29.10.2006 feiert Efim Levin, Vorbeter der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk, seinen 90. Geburtstag. Der Arbeitskreis sendet ihm herzliche Glückwünsche. Efim Levin gehörte zur ersten Reisegruppe aus Petrosawodsk, die im Sommer 1997 die Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde besuchte. In bewegender Erinnerung bleibt, wie er damals am Schluss des Sonntagsgottesdienstes in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche den aronitischen Segen auf Hebräisch sprach.
November: Die Gedenkstunde an den 9.11.1938 in der Tübinger Stiftskirche wird im Bonhoeffer-Gedenkjahr von Konfirmandinnen und Konfirmanden der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde mitgestaltet.
13. November 2006: Die Synode des Kirchenbezirks Tübingen stimmt dem Aufruf für einen offiziellen kirchlichen Gedenktag „Erinnerung und Umkehr“ am 9. November zu. Zustimmung kommt auch aus der Kirchenbezirkssynode Leonberg und vom Kirchenbezirksausschuss Münsingen. Am 28.11.2006 überreichen Dankwart-Paul Zeller und Michael Volkmann in Hechingen den Aufruf für einen offiziellen kirchlichen Gedenktag „Erinnerung und Umkehr“ am 9. November dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Dr. Karl Lehmann.
Dezember: Michael Volkmann trifft Mila Brawaya, Tochter von Vala und Mischa Brawyi, in Jerusalem.
2005
Januar-März: Schülerinnen und Schüler der Freien Waldorfschule Tübingen absolvieren ein Sozialpraktikum in Petrosawodsk. Unter ihnen ist Silke Takacs, die Tocher unseres Mitglieds Sylvia Takacs. Sie bleiben drei Monate in der Stadt und vertiefen die Beziehungen auch zur jüdischen Gemeinde und ihrem Jugendclub.
Sommer: Eine Reisegruppe aus Berlin-Schöneberg besucht auf Vermittlung von Paul Zeller hin die jüdische Gemeinde in Petrosawodsk.
September: Der Arbeitskreis „Begegnung mit der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk“ beschließt am 7. September den „Aufruf an die Kirchen aller Konfessionen in unserem Land für einen offiziellen kirchlichen Gedenktag ‚Erinnerung und Umkehr’ am 9. November“.
Oktober: Unabhängig von den christlich-jüdischen Kontakten nach Russland trifft sich am 28.10.2005 zum ersten Mal eine Gruppe von Juden aus Tübingen und Umgebung im Gemeindezentrum der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, um Oneg Schabbat zu feiern. Initiator ist der in Tübingen lebende Amerikaner Martin Potrop. Das Treffen kommt in Kooperation mit Studierendenpfarrerin Heide Abe zustande. Im Lauf des Jahres 2006 formiert sich die Gruppe zu dem eingetragenen Verein „Bustan Shalom“.
November: Der Arbeitskreis engagiert sich verstärkt bei der Gestaltung der Gedenkstunde zum Novemberpogrom von 1938 am 9. November in der Tübinger Stiftskirche. Im Gemeindebrief Nr. 88 der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk erscheint der Tübinger Aufruf „Erinnerung und Umkehr“ auf Deutsch und Russisch mit einer Würdigung von Dima Tsvibel.
Dezember: Nach Vorberatungen in den sieben evangelischen Kirchengemeinden Tübingens beschließt der Gesamtkirchengemeinderat ohne Gegenstimmen, sich den Aufruf „Erinnerung und Umkehr“ zu eigen zu machen.
2004
Juli: Besuch von vier Vertretern der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk in Tübingen: Dimitri Tsvibel, Simeon Schachnik, Maria Itskovskaya und Wladimir Ermakov. Bürgermeister Weimer verleiht Pfarrer Dankwart-Paul Zeller, dem Vater der Idee der Städtepartnerschaft und der Partnerschaft zur jüdischen Gemeinde, aus Anlass seines 80. Geburtstages Ehrenurkunden von Ministerpräsident Sergej Katanandov und Bürgermeister Viktor Masljakow. Der Besuchsplan enthält Besichtigungen von Synagogen (Hechingen, Haigerloch), die Teilnahme an Gottesdiensten in der Stuttgarter Synagoge und in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, einen öffentlichen Studiennachmittag über die Zehn Gebote in jüdischer Auslegung, ein Klassengespräch auf Russisch in der Freien Waldorfschule Tübingen und viele Begegnungen mit alten und neuen Freunden. Dima Tsvibel überreicht den Gastgebern eine Mesusa. Sie soll so lange in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche bleiben, bis sie an die Tür der neu zu erbauenden Synagoge nach Petrosawodsk zurückkehren kann.
Herbst: Dankwart-Paul Zellers Buch „Galerie-Kneipe“ erscheint in überarbeiteter dritter Auflage mit einem Vorwort von Walter Jens. In der Tübinger Zeitschrift „Evangelische Kirche in der Stadt“ wird der Artikel „Die Tora braucht ein eigenes Haus. Der nächste Schritt in der Beziehung zur jüdischen Gemeinde von Petrosawodsk“ von Michael Volkmann abgedruckt, verbunden mit einem Spendenaufruf für den Synagogenbau. In Petrosawodsk wird Dima Tsvibels wissenschaftliche Untersuchung „Das Jüdische bei Dimitri Schostakowitsch“ veröffentlicht.
2003
Januar: Gemeindebrief Nr. 55 aus Petrosawodsk berichtet über antisemitische Schmierereien in der Stadt. Die karelische Zeitschrift „Der Norden“ publiziert in Fortsetzungen den antisemitischen Roman „Das namenlose Tier“ von Tschebalin. Die jüdische Gemeinde legt Protest ein.
26. Juni bis 1. Juli: Zur 300-Jahr-Feier der Stadt Petrosawodsk reisen aus Tübingen Dr. Kurt Sütterlin, Ulrike Elstner-Sütterlin, Inge Darenberg und Michael Volkmann in die Partnerstadt.
Herbst / Winter: Dimitri Tsvibel nimmt an zwei vierteljährlichen Fortbildungskursen zum Gemeindeleiter an der Hebräischen Universität Jerusalem teil.
2002
Februar: Der "Denkendorfer Kreis für christlich-jüdische Begegnung e. V.", der unsere Begegnungen regelmäßig unterstützt, organisiert und finanziert eine weitere Toralernwoche in Petrosawodsk über Purim. Die Begegnungen werden nach Möglichkeit in jährlichem Rhythmus fortgesetzt. Das geplante Neubauprojekt einer Synagoge für Petrosawodsk begleiten wir mit Sympathie und, wo möglich, auch praktischer Unterstützung. Medikamentensendungen sind auf Grund der russischen Zollvorschriften zurzeit nicht möglich.
März: Aus einem Brief von Dimitri Tsvibel über die Toralernwoche vom 3. März 2002: „Asi und Ruth Karniel haben in dieser Woche viele Freunde hier gefunden. Sie führten Lehrstunden mit Kindern und Erwachsenen und die Purimfeier in der Sonntagsschule durch, außerdem die Schabbatfeier im Chesed Agamim (Wohlfahrtsstelle) und im Jugendclub, ein Treffen mit älteren Menschen im Tageszentrum des Chesed sowie ein Treffen mit den Teilnehmern des Programms „Masl Tow“, Eltern mit ihren kleinen Kindern. Asi hielt einen sehr guten Sabbatgottesdienst in der Synagoge. Zum Purimfest versammelten sich in der Synagoge 55 Menschen. Zu einem von ihnen durchgeführten Gemeindefest kamen 200 Menschen. Ein reiches Programm in einer so kurzen Zeit! Für uns war das ein schönes und gutes Geschenk.“
Juni: Die Gruppe „Klezmorim“ spielt in der Tübinger Stiftskirche ein von fast tausend Menschen besuchtes Benefizkonzert für die jüdische Gemeinde Petrosawodsk.
27. Juni bis 3. Juli: Dankwart-Paul Zeller, Dr. Renée Schmitt-Kip, Julita Huf und Michael Volkmann reisen nach Petrosawodsk. Sie überbringen eine Urkunde über die Anpflanzung von zwölf Bäumen zu Ehren der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk in Israel, ein Buch mit Bildern aus dem Leben der Bonhoeffer-Gemeinde mit über 250 Unterschriften von grüßenden Tübingern, ein Blutdruckmessgerät, Medikamente und den Erlös des Klezmorimkonzerts von 2.082 Euro sowie weitere Spenden. Arbeitskreismitglied Helmut Barth, langjähriger Diakon in der Tübinger Stephanusgemeinde, wird durch Krankheit an der Mitreise gehindert. Überraschend stirbt er 67jährig am 29. August 2002.
Herbst / Winter: Der Plan eines ersten interreligiösen Jugendaustausches zwischen Tübingen und Petrosawodsk scheint zunächst Erfolg zu haben, kommt dann aber nicht zur Verwirklichung.
Weihnachten: Mit dem Transport der West-Ost-Gesellschaft werden Spenden an die jüdische Gemeinde nach Petrosawodsk mitgegeben. Danach werden die Materialhilfstransporte eingestellt.
2001
Juli: Besuch von fünf Vertretern der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk (Prof. Dr. Mark Burkin, Olga Harina, Michail Brawyi, Dimitri Tsvibel, Svetlana Vinogradova) in Tübingen mit Unterstützung der "Stiftung West-Östliche Begegnung e. V." Berlin. Wieder gemeinsames Studium des Tora-Wochenabschnitts. Erstmals Begegnung zwischen unseren Gästen und in Tübingen lebenden Juden. Pfarrer Dankwart-Paul Zeller und Pfarrer Dr. Michael Volkmann bekommen die Ehrenmitgliedschaft der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk verliehen. Der Arbeitskreis dankt den Gästen für ihre Unterstützung des Denkmals Synagogenplatz mit einem "Baustein", dem Quadrat Nr. 99 aus dem stählernen Kubus des Denkmals.
2000
Juni: Fahrt einer vierköpfigen Gruppe aus Tübingen nach Petrosawodsk (Julita Huf, Helmut Barth, Dr. Renée Schmitt-Kip, Michael Volkmann). Wieder werden Spenden und wichtige Medikamente aus der DIFÄM-"Weltapotheke" mitgenommen. Gespräche mit dem Pastor der Lutherischen Gemeinde und dem Stellvertreter des orthodoxen Erzbischofs.
9. November: Nach fast dreijährigem bürgerschaftlichem Engagement erreicht die Projektgruppe Denkmal Synagogenplatz ihr Ziel: die künstlerische Gestaltung des Tübinger Synagogenplatzes ist realisiert. Der umstrittene Text "Orts-Geschichte 1938-2000" wird ein Jahr später angebracht.
Herbst: Die jüdische Gemeinde Petrosawodsk erhält von der Stadtverwaltung im Tausch für das Grundstück der vor 70 Jahren abgebrannten Synagoge ein Baugrundstück im Stadtzentrum für ihren geplanten Synagogenneubau.
Dezember: An die Stelle der Paketsendungen für die jüdische Gemeinde Petrosawodsk tritt die finanzielle Hilfe, mit der vor Ort eine effektivere Unterstützung Not Leidender möglich ist.
1999
Juni: Teilnahme des Arbeitskreises am "Markt der Möglichkeiten" des Stuttgarter Kirchentages im Informationsstand der "Württembergischen Basisinitiativen 'Christen und Juden'".
Juli: Einladung an vier Vertreter der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk (Michail Brawyi, Prof. Dr. Juri Rybak, Dimitri Tsvibel, Swetlana Vinogradova) zur Teilnahme am Tübinger Stadtfest "10 Jahre Städtepartnerschaft Tübingen - Petrosawodsk". Erstmals Durchführung eines christlich-jüdischen Studientages mit gemeinsamem Studium eines Teils des Tora-Wochenabschnitts und einem Vortrag von Dimitri Tsvibel "Der Rauch des Holocaust". Das Besuchsprogramm wird von der "Stiftung Weltethos" großzügig unterstützt. Kontakte zum Deutschen Institut für Ärztliche Mission DIFÄM ermöglichen eine umfangreiche Medikamentensendung. Die Gäste stellen das Projekt eines Synagogenneubaus für Petrosawodsk vor, dessen Realisierung geprüft werden soll.
Dezember: Paketaktion für die jüdische Kulturgesellschaft "Schalom" Petrosawodsk mit Unterstützung der "West-Ost-Gesellschaft".
1998
Januar: Der Arbeitskreis beschließt, sich in die Planungen zur Neugestaltung des Tübinger Synagogenplatzes einzuschalten. Er ist von da an durch Pfarrer Dr. Michael Volkmann in der Projektgruppe Denkmal Synagogenplatz vertreten.
Frühjahr: AK-Mitglied Christopher Selbach verbringt zwei Monate in Petrosawodsk und erlebt das Pessachfest und den Umzug von der alten in die neue Synagoge am Leninplatz mit.
Juni: Sieben Arbeitskreismitglieder reisen zum Stadtfest nach Petrosawodsk (Maria Adelmann, Lore Auer, Helmut Barth, Gisela Glaser, Dr. Kurt und Ulrike Elstner-Sütterlin, Dankwart-Paul Zeller). Sie werden begleitet von Traute Sommer, die 1945 als Sechzehnjährige aus Ostpreußen zur Zwangsarbeit nach Karelien verschleppt worden war und die die Gedenkstätte ihres Lagers in Padosero aufsucht. Tübingens Oberbürgermeister Dr. Eugen Schmid besucht auch die Synagoge und erhält von Dima Tsvibel eine Spende über 100 $ für die Neugestaltung des Tübinger Synagogenplatzes überreicht.
Oktober: Auf unsere Vermittlung hin findet in Petrosawodsk eine Toralernwoche mit israelischen Lehrern statt. Die Finanzierung übernimmt der „Denkendorfer Kreis für christlich-jüdische Begegnung e. V.“ Am Torafreudenfest sind mehr Menschen in der Synagoge denn je.
Dezember: Paketaktion für sozial Schwache der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk, unterstützt von der ‚West-Ost-Gesellschaft’.
1997
Januar: Der Arbeitskreis "Begegnung mit der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk" an der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche Tübingen wird gegründet. Der Arbeitskreis ist in der "Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen" Tübingen (ACK) verankert. Ihm gehören Mitglieder mehrerer Tübinger Kirchengemeinden an.
Juni: Vier Tübinger/innen (Maria Adelmann, Helmut Barth, Dankwart-Paul Zeller, Michael Volkmann) reisen nach Petrosawodsk. In St. Petersburg Besuch der Synagoge und Gespräch mit Hauptrabbiner Pewsner.
Juli: Fünf Vertreter der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk besuchen Tübingen (Juri Goldenberg, Efim Levin, Alexander Modilevski, Wladislaw Motin, Dimitri Tsvibel).
Dezember: Paketaktion für sozial Schwache der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk in Zusammenarbeit mit der baden-württembergischen ‚West-Ost-Gesellschaft’, Tübingen. Die jüdische Gemeinde setzt einen Wohlfahrtsausschuss ein.
1996
April: Das Geld für eine Torarolle ist beisammen. Sie wird in St. Petersburg gekauft. Die Juden in Petrosawodsk gründen eine staatlich anerkannte religiöse Gemeinde.
Juli: In Anwesenheit der Tübinger Gäste Dankwart-Paul Zeller und Lore Auer und von offiziellen Vertretern Deutschlands, Israels und der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die Torarolle in der Hauptsynagoge von St. Petersburg der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk feierlich übergeben und dorthin überstellt. Am 19. Juli wird sie in der dortigen Philharmonie in Anwesenheit von rund zweihundert Gästen feierlich in Empfang genommen. In der Synagoge von Petrosawodsk werden die Sabbatlesungen fortan aus der Torarolle gehalten.
Juli - August: Die Tübinger Regionalgruppe der ‚Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V.’ richtet in einem mehrwöchigen Sommerlager den jüdischen Friedhof Petrosawodsk wieder so weit her, dass die Stadt auf die Enteignung des Geländes verzichtet.
Die Aktion "Eine Torarolle für Petrosawodsk" wurde vom Diakonischen Werk der Evangelischen Landeskirche in Württemberg in einem illustrierten Heft dokumentiert.
1995
Ende Oktober: Tübinger Christen beginnen auf Initiative von Dankwart-Paul Zeller und Dr. Michael Volkmann, Spenden für eine Torarolle für die Juden in der Partnerstadt Petrosawodsk zu sammeln. Dort gibt es einen jüdischen Kulturverein, nicht aber eine religiöse Gemeinde. Unterstützung kommt nicht nur von vielen Einzelnen, sondern auch vom "Projekt Weltethos", von der "Aktion Hoffnung für Osteuropa" des Diakonischen Werkes Württemberg, von der Evangelischen Sozietät (Kirchliche Bruderschaft) Württemberg und vom "Denkendorfer Kreis für christlich-jüdische Begegnung e. V.".